Gedenkveranstaltung vom 06.04.2021: Schlussbetrachtung

Foto: Ralf Henning; Reiner Schiller-Dickhut, RfG


Reiner Schiller-Dickhut für Respekt für Griechenland e.V.

Schlussbetrachtung zur Gedenkveranstaltung am 6.April 2021

Wir erinnern heute an den Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Griechenland vor 80 Jahren. Danke an alle, die gekommen sind.
Wir gedenken der vielen Toten in Griechenland, die Deutschland durch die Okkupation und Kriegsverbrechen verursacht hat.
Wir schämen uns wegen der unbeglichenen Kriegsschuld Deutschlands.
In der Bundestagsdebatte am 25. März sagte als Vertreter der Bundesregierung der Staatsminister Roth: „Die deutsche Besatzung Griechenlands forderte fast 800.000 Menschenleben.“ Griechenland hatte damals 7,3 Mio. Einwohner. Vermutlich sind diese Zahlen zu hoch, andere Schätzungen gehen von 330.00 bis 550.000 aus.

Die Frage ist, welche Konsequenzen die Regierung aus dieser hohen Zahl zieht. Ich komme darauf zurück. Hohe Zahlen zu nennen, reicht aber manchmal nicht, das Elend einzelner Menschen, die Folgen für eine einzelne Gemeinde zu erfassen. Dazu muss man sich die Geschichten der Menschen anhören.
Einige aus unserem Verein – meine Person eingeschlossen – wissen aus Erzählungen von Griechen seit Jahrzehnten von den deutschen Kriegsverbrechen. Andere erst seit einigen Jahren. Uns alle haben die Erinnerungen der Überlebenden und die Gefühle der Nachgeborenen beeindruckt, wie sie im Film „Der Balkon“ über die Ereignisse in einem zerstörten Dorf, Lyngiades, gezeigt werden. Beschämend zu erfahren ist, dass viele Überlebende dieses Dorfes jahrelang kein Dach über dem Kopf hatten, dass sie in Höhlen leben mussten. Denn es gab keine Wiederaufbauhilfe aus Deutschland, und Griechenland selbst war massiv zerstört und ausgeraubt.
Vor diesem – beispielhaft geschilderten – Hintergrund sollte man die Reden in der Bundestagsdebatte betrachten.

Hauptsächlicher Tenor der Beiträge von CDU, SPD und FDP war: Die Wehrmacht hat Gräueltaten verübt. Die Zerstörungen waren massiv. Griechenland hat gelitten.Und dafür entschuldigen wir als Deutsche uns und bitten um Verzeihung. Und wir bedanken uns für das Geschenk der griechischen Seite, dass sie sich mit Deutschland versöhnt. So auch der Staatsminister Roth in seiner Rede im Bundestag.
Wir meinen entschieden, das reicht nicht. Auch wenn wir wissen, dass viele Griechinnen und Griechen resigniert haben. Es bedarf materieller Entschädigungen. Erinnerungsprojekte sind gut, aber kein Ersatz. Das Thema der Wiedergutmachung ist nicht vom Tisch. Wir haben deshalb vor zwei Jahren unsere Kampagne zur unbeglichenen Kriegsschuld gestartet.
Wir freuen uns, dass die Bundestagsdebatte neben den bloßen Bekenntnissen zur Aufarbeitung und gemeinsamen Erinnerung einige Hoffnungsschimmer gebracht hat.

Ein CDU-Abgeordneter hat immerhin gesagt, dass die Diskussion über rechtliche Fragen von Wiedergutmachung legitim sei. Er habe Verständnis dafür, dass es vonseiten Griechenlands den Wunsch nach Wiedergutmachung gibt.
Klarer wurde der SPD-Abgeordnete Nietan: Für ihn ist die rechtliche Sicht nicht ausschlaggebend. Denn für die Verantwortung Deutschlands gebe es keinen Schlussstrich. Deshalb müsse die deutsche Politik mit den „griechischen Freunden auch offen über alles reden, was die Vergangenheit betrifft. Und das schließt die Frage der Entschädigung für erlittenes unfassbares Unrecht ausdrücklich ein.“

Ich gehe davon aus, dass dies nicht mehrheitlich die Auffassung der SPD-Fraktion ist. Aber hieran lässt sich anknüpfen.
Das Verdienst, dass das Thema ernsthaft im Bundestag behandelt wurde, gebührt aber der Fraktion der Linken und der Fraktion der Grünen, die jeweils einen Antrag zum Thema eingebracht haben. Zum Grünen Antrag haben wir schon einen Beitrag gehabt.

Der Antrag der Linken mit dem Titel „Reparationsforderung Griechenlands anerkennen“ ist bereits von 2019, und die Linke hat in dieser Frage immer klar Position bezogen. Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, „mit der griechischen Regierung in Verhandlungen mit dem Ziel eines Abkommens zu treten, welches Art, Umfang und Konditionen der zu leistenden Reparationen für Kriegsschäden regelt.“ Ich verstehe dies so, dass die Linke nicht kategorisch auf dem Betrag von 289 Milliarden € beharrt, der von der griechischen Seite als Reparationssumme beziffert wird. Es geht darum, überhaupt in Gespräche einzutreten Mit Respekt gegenüber der Sichtweise des griechischen Parlaments. Wie es der Grünen Antrag als Weg vorzeichnet.

Wir als Verein werden die öffentliche Diskussion zu diesem 80. Jahrestag auswerten.Wir werden überlegen, wie wir nach den erwähnten ermutigenden Zeichen künftig im politischen Raum mehr Unterstützung für unsere Forderungen zur unbeglichenen deutschen Kriegsschuld schaffen können. Der Jahrestag ist nur eine Etappe, kein Schlusspunkt in unserer Kampagne.
Wir hoffen, dass mehr zivilgesellschaftliche Organisationen in das Thema einsteigen. Erfreulich wäre, wenn mehr aus der griechischen Community Hoffnung schöpfen, dass in dem Thema noch was möglich ist. Umso mehr unser Dank an die Griechische Gemeinde Berlin.
Wir werden vorerst unsere kleinen Projekte in Opfergemeinden und die Bildungsarbeit mit dem Film „Der Balkon“ fortsetzen.
Dieser ist bis zum 11. April in einer Kurzfassung online zu sehen, dank des Einsatzes von Ulli Jossner. Und von ihm ist auch ein kurzer Clip von rund 7 Minuten zum Thema auf unserer Homepage – danke!

Abschließend Dank an allen Beteiligten.